Ist der Preis von Bitcoin volatil? Es ist alles relativ

Erschienen im Bitcoin Magazine | Veröffentlichung: 13. Dezember 2022
Autor: Tim Niemeyer
Übersetzt von: Sinautoshi am 18.12.2022 - 767940

Dieser Artikel wird auf der Website von European Bitcoiners nur zu Bildungs-, Informations- und Übersetzungszwecken zur Verfügung gestellt und stellt weder eine finanzielle Beratung noch einen Anspruch auf die im Bericht erwähnten Details dar.

Alle Rechte liegen bei dem Autor des Originals.

Ist Bitcoin volatil? Wie bestimmt man die Volatilität? Wie können diejenigen mit Händen aus Diamant so entschieden „Nein" sagen, während diejenigen, die in der Fiat-Mentalität feststecken, so nachdrücklich „Ja" sagen? Wer von beiden hat Recht? Müssen sich beide Seiten einig sein, dass sie uneins sind, oder können beide scheinbaren Widersprüche gleichzeitig wahr sein?

Um diese Fragen wirklich zu beantworten, sollten wir zunächst Albert Einsteins spezielle Relativitätstheorie analysieren...

Die spezielle Relativitätstheorie

In Einsteins Versuch, besser zu verstehen, wie sich die verstrichene Zeit zweier sich bewegender Uhren unterschiedlich verhält, müssen wir uns eines seiner Gedankenexperimente ansehen: Stell dir zwei Beobachter vor, von denen einer als Fahrgast in einem Zug sitzt und der andere von einem nahe gelegenen Bahnsteig aus zuschaut. Der Zugpassagier sieht, wie zwei Blitze an beiden Enden des Zuges einschlagen, der erste von vorne und der zweite von hinten. Der Zuschauer auf dem nahe gelegenen Bahnsteig sieht, wie die beiden Blitze gleichzeitig in den vorderen und hinteren Teil des Zuges einschlagen. Der Zugpassagier behauptet, dass der vordere Bolzen vor dem hinteren Bolzen eingeschlagen ist, während der Schaulustige behauptet, dass die Bolzen gleichzeitig eingeschlagen sind.

Wessen Wahrnehmung ist richtig? Können es beide sein? Einstein war der Meinung, dass beide Interpretationen gültig sind, weil sie jeweils ihren eigenen Bezugsrahmen haben.

Dieses Phänomen führte zu Einsteins spezieller Relativitätstheorie: Unterschiedliche Bezugssysteme erfordern unterschiedliche Wahrnehmungen der Gleichzeitigkeit von Ereignissen. Einfacher ausgedrückt: Ein anderer Bezugspunkt verändert die Wahrnehmung. Zugegeben, das ist eine grobe Vereinfachung und eine eingeschränkte Sichtweise eines viel umfassenderen Konzepts, aber diese eingeschränkte Sichtweise reicht aus, um den Zusammenhang mit der unterschiedlichen Wahrnehmung der Volatilität von Bitcoin zu verdeutlichen.

Bitcoin ist nicht volatil

Betrachten wir die Bitcoiner als Fahrgäste in einem Zug. Es liegt in der Natur der Technologie, dass wir mit einer konstanten Geschwindigkeit reisen, die durch Mathematik und Code festgelegt ist. Innerhalb dieses Protokolls sehen wir, dass ein Bitcoin gleich ein Bitcoin ist. Wir können die Knappheit des Bitcoins mit einer vorprogrammierten Endmenge von 21 Millionen verifizieren. Wir verstehen, dass der Verzicht auf vertrauenswürdige Dritte oder zentrale Behörden ein vertrauens- und erlaubnisfreies Peer-to-Peer-System gewährleistet. Wir wissen, dass ein Wal mit vielen Bitcoin nicht mehr Einfluss auf die Kontrolle des Kassenbuchs hat als eine Garnele mit wenigen Bitcoin. Wir wissen, dass die Schwierigkeitsanpassung alle zwei Wochen weiterhin dafür sorgen wird, dass Blöcke in schätzungsweise zehn Minuten geschaffen werden; wir kennen den Ausdruck „Tick tock, next block".

Nichts davon spricht für Volatilität, ganz im Gegenteil. All das spricht für Beständigkeit, die Beständigkeit des Netzwerks. Es spricht für unsere geerdete Wahrnehmung innerhalb eines stabilen und sicheren Systems der Wertübertragung über Raum und Zeit. Wir Passagiere im Bitcoin-Zug sind besser in der Lage, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, die auf soliden systemischen Grundlagen beruhen. Das ist einer der Hauptgründe dafür, dass Bitcoiner eine niedrige Zeitpräferenz haben und beibehalten können; wir sind nicht so anfällig für die Verzerrungen, die durch weniger volatile Systeme entstehen und zu erratischem wirtschaftlichem Verhalten führen. Anders ausgedrückt: Die Vorhersehbarkeit des Protokolls sorgt dafür, dass die Zeitpräferenz niedrig bleibt.

Bitcoin ist volatil

Der Bitcoin-Preis wird oft als zu volatil kritisiert, aber wie Einstein schon sagte, kommt es darauf an, wie man ihn betrachtet.

Aus der Sicht eines Außenstehenden ist es klar, dass Bitcoin unbeständig ist. Ihr wichtigster Bezugsrahmen ist nicht das Netzwerk, sondern einfach der Vermögenswert (insbesondere der BTC/USD-Wechselkurs). Wenn das Angebot des Dollars stark schwankt, insbesondere wenn die Kapitalkosten ständig manipuliert werden - ganz zu schweigen von den konkurrierenden, ebenso fehlerhaften Währungen, die versuchen, sich aus der Hyperinflation herauszukämpfen - wird die Wahrnehmung des Betrachters verzerrt.

Dies ist eine reale Anwendung von Wittgensteins Lineal, einem Konzept, das besagt: „Wenn du ein Lineal benutzt, um einen Tisch zu messen, kannst du auch den Tisch benutzen, um das Lineal zu messen, es sei denn, du hast Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Lineals."

Die Sichtweise von Fiat-Zuschauern auf den Vermögenswert Bitcoin wird durch ihren Bezugsrahmen vernebelt, der unnötig kompliziert ist.

Noch schlimmer ist, dass diese vermeintliche Volatilität die Betrachter davon abhält, sich näher mit dem Bitcoin-Netzwerk zu befassen. Sie finden Trost in dem, was sie kennen. Sie sind nicht bereit, sich die Mühe zu machen, zu verstehen, warum ihr willkürlich gewähltes System fehlerhaft ist. Jeff Booth sagt: „Das größte Hindernis für die Menschen, Bitcoin zu verstehen, ist vielleicht, dass sie ihren persönlichen Rucksack mitbringen, wie das Geldsystem heute und in der Vergangenheit funktioniert hat, und nicht, wie es in Zukunft funktionieren wird."

All die Fehlinformationen innerhalb des Fiat-Geldsystems halten die Menschen davon ab, die Zusammenhänge zu verstehen, während sie sich gleichzeitig auf einem sporadischen und spastischen Karussell befinden. Sie haben sich entweder bewusst oder unbewusst damit abgefunden, dass sich das Schicksal ihres Geldes (in seiner Form als Wertaufbewahrungsmittel, Tauschmittel und Rechnungseinheit) ungefähr alle vier Jahre mit den Wahlzyklen ändern kann. Sie sind darauf konditioniert worden zu glauben, dass es eine kleine Gruppe von Eliten geben muss, die „am besten" weiß, wie man das Wachstum einer Wirtschaft manipuliert (und dabei die eigenen Anreize der Elite ignoriert). Sie übersehen die Tatsache, dass die Währung, die sie zu benutzen gezwungen sind, im Laufe ihrer Lebensdauer 99 % ihres Wertes verloren hat.

Dieser letzte Punkt veranlasst die Menschen im Fiat-System dazu, eine hohe Zeitpräferenz anzunehmen, da sie wissen, dass der Wert ihrer Zeit und ihrer Bemühungen mit der Zeit entwertet wird. Die Wahl zwischen einem volatilen, alternativen Vermögenswert, der eine niedrige Zeitpräferenz und viel Mühe erfordert, um ihn zu verstehen oder aber einem brandneuem Gadget, das endlose Dopaminschübe liefert... nun, ich kann mir vorstellen, dass das die Entscheidung leicht fällt.

Die Theorie der monetären Relativität

Der Bitcoin-Preis wird oft als zu volatil kritisiert, aber wie Einstein schon sagte, kommt es darauf an, wie man ihn betrachtet.

All dies lässt sich einfach so formulieren: Bitcoiner bestimmen die Volatilität aus der Referenz des Netzwerks und des Protokolls, während Fiat-Gläubige die Volatilität aus der Referenz des Vermögenswertes Bitcoin ableiten.

Wie Gigi sagt: „Bitcoin ist nicht volatil. Die Menschen sind es." Deshalb müssen wir die Diskussion vom Vermögenswert auf das Netzwerk und das Protokoll verlagern. Der Vermögenswert wird weiterhin Schwankungen aufweisen (langfristig nach oben), was nicht an Bitcoin, dem Netzwerk oder dem Protokoll liegt, sondern an der unstetigen menschlichen Natur.

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